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04/2009

Der Schützenverein Rothenburg 1815 e.V.

Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf den Aufzeichnungen von : Dr. Wilcke, F., Chronik des Hüttenortes Rothenburg, Rothenburg 1832; Nultsch, H. Chronik des Ortes Rothenburg, Rothenburg 1900; Tarlatt,E. , Chronik des Schützenvereins Rothenburg, Rothenburg 1992
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Die Befreiungskriege von 1813 bis 1815, die Deutschland von der französischen Fremdherrschaft befreit hatten, brachten auch das Ende des Kaiserreichs Napoleons I. Sie bedeuteten damit das Ende des Königreichs Westfalen (1807-1813) unter Napoleons Bruder Jerome, zu dem seinerzeit Rothenburg gehörte. Auf Patriotismus und Vaterland ausgerichtete nationale Bewegungen konnten sich nunmehr frei entfalten. Dazu gehörten neben Burschenschaften und Turnerschaft auch Schützenvereine ( Schützengilden ). Nachdem erste Versuche zur Bildung eines Schützenvereins in Rothenburg in den Jahren 1811 und 1813 noch scheiterten ( die in Könnern schon seit 1792 existierende und bereits 1594 urkundlich erwähnte Schützengilde wurde 1807 ebenfalls von der französischen Besatzungsmacht verboten ), kam es 1815 zur rechtsgültigen Gründung des Schützenvereins Rothenburg. Zu dieser Zeit zählte der Verein 82 Mitglieder. Gründungsmitglieder waren Hüttenmeister und Direktor der Rothenburger Kupferhütte Eckhardt und Amtmann Zimmermann, des weiteren der Besitzer der Rothenburger Saalewerft Nultsch, Bergassessor Nauwerk vom Oberbergamt Rothenburg, Hüttenaufseher Rosenbaum und Ackerbringer Schlüters . Im Übrigen ist die Entstehung der Schützengilden eng verknüpft mit dem Aufschwung der mittelalterlichen Städte (11.Jh.), die sich gegen die Übergriffe des Adels und der Fürsten schützen mußten. Um stets eine genügende Anzahl waffengeübter Bürger zur Verfügung zu haben, förderten die Städte das Schützenwesen durch Verleihung gewisser Vorrechte an die Gilde (Schützenfeste, Schützenhaus) wie auch an den besten Schützen, den Schützenkönig. Die ältesten Schützengilden sind aus den Niederlanden bekannt. Die ältesten deutschen Schützenvereine sind nicht vor der Mitte des 14.Jh. urkundlich nachweisbar. Aufbau und Geist der Vereine glichen denen der Handwerkerzünfte. Unter dem Einfluß des 30-jährigen Krieges (1618-1648) wurden die Schützengilden in militärisch ausgebildete Schützenkompanien (Schützenbataillone) umgewandelt, die aber durch das Aufkommen der stehenden Heere ( mit der Bildung absolutistischer Einzelstaaten nach 1648 ) ihre Bedeutung bald wieder verloren; sie entwickelten sich zu bürgerlichen Vergnügungsgesellschaften. Heute sind Schützenvereine in vielen Dörfern und Kleinstädten so etwas wie die soziale Grundversorgung der Gemeinde neben Sportvereinen, Kirche und Freiwilliger Feuerwehr. Sie bieten ein Gefühl von Halt und Heimat, Geselligkeit und Geborgenheit. Der Rothenburger Schützenverein folgt diesem Trend. Das Übungsgelände für die Rothenburger Schützen war der Garten des respektablen Sanderschen Gasthofes unterhalb des Burgbergs (1775 von Johann Gottlieb Sander erbaut) mit einem 1811 gestifteten Schießstand. Bereits seit 1800 wurde hier mit Feuergewehr, vorher seit 1775 mit der Armbrust auf die Scheibe geschossen. Diese Schießvergnügungen wurden privat von den Oberbergamtsbeamten organisiert, ohne Bindung an einen Verein. Nach der offiziellen Gründung des Schützenvereins 1815 (zunächst Schützenkompanie von Rothenburg genannt ) wurde der Sandersche Gasthof dann „Gasthof zum Schützen“ genannt.
Den Eingang zierte ein Steinrelief mit einem Armbrustschützen, einem Sinnspruch, dem Namen Sander und der Jahreszahl 1775 (heute in der Dauerausstellung des Vereins aufbewahrt). Die Schießbahnen der Schützengilde im Garten des Gasthofes wurden auf ungefähr 140 Schritte erweitert. Damit wurde schon ein präzises Scheibenschießen möglich. Dies erfolgt zunächst mit Vorderladergewehren, später mit präziseren Dreyse-Hinterladern und schließlich ab 1875 mit modernen Scheibengewehren. Einen Höhepunkt des gesellschaftlichen Lebens im Ort Rothenburg waren die durch den Schützenverein organisierten jährlichen großen Schützenfeste und Königsschießen, welche meist im Juli stattfanden und mit Karrusells, Schaubuden und Tingeltangel aller Art auf dem Schützenfestplatz (Kirchplatz) umrahmt wurden. Diese Schützenfeste fanden über mehrere Tage statt. Nach dem Königsschießen wurden mehrmalige Umzüge durch den ganzen Ort mit Marschmusik durchgeführt. Im Schützenverein gab es neben dem Vorstand aktive Schützen (meist mit eigenem Gewehr), die an den sonntäglichen Scheibenschießen teilnahmen, und passive Mitglieder, die lediglich bei den Geselligkeiten anwesend waren. Die Schützenkönigskette, an der sich kleine silberne Anhänger mit dem Namen des Schützenkönigs eines jeden Jahres befanden, wurde das erste Mal 1836 und jeweils für ein Jahr verliehen. Der Schützenkönig gehörte für das Jahr seiner Königswürde dem Vorstand an. Zu den Schützenfesten kamen Delegationen der Schützenvereine Könnern, Wettin, Löbejün und Alsleben. Das letzte Schützenfest vor dem ersten Weltkrieg (1914-1918) war im Juni 1914. Im Kriege von 1914 – 1918 wurden von den 83 Vereinsmitgliedern 25 zum Kriegsdienst eingezogen. 1931 wurden die Schießstände des Rothenburger Schützenvereins im Garten des „Gasthofes zum Schützen“ ( Privatgelände des Gasthofseigentümers Karl Kersten) völlig erneuert. Es wurden zwei Großkaliberschießbahnen mit 150 Meter Länge angelegt.