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05/2019
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Inbetriebnahme einer neuen Drahtbund-Beizanlage im VEB Draht- und Seilwerk Rothenburg (DSR) 1987 Quelle: Das Draht- und Seilwerk Rothenburg, in: Festschrift 1050 Jahre Rothenburg an der Saale 2011, Rothenburg 2011, S. 12-14; Autorenkollektiv: Stahldraht – Herstellung und Anwendung, Leipzig 1973; Vertrag Nr. 14-332-28108/4-0110 vom 03.September 1984 zwischen AHB der DDR Industrie-Anlagen-Import, Berlin und Otto Wolff Industrie-Anlagen GmbH , Köln über Drahtbund-Beizanlage ( in Dauerausstellung zur Industrie- und Ortsgeschichte Rothenburg einsehbar)
Ausgangssituation Anfang der 1980er Jahre Die 1987 in Betrieb genommene Drahtbund-Beizanlage wird mittlerweile über 30 Jahre für die Drahtherstellung in Rothenburg/S. eingesetzt und ist nach wie vor von außerordentlicher Bedeutung. Bei der Privatisierung (1992) nach der „Wende“ hatte sie ein entscheidendes Gewicht. Das DSR war in der DDR Anfang der 1980er Jahre der größte und bedeutendste Betrieb zur Herstellung von Drähten und Seilen aus Stahl, z.T. auch aus Aluminium. Allein hier waren bis zu 1.500 Personen im Schichtbetrieb beschäftigt. Sie kamen sowohl aus Rothenburg/S. und Könnern als auch aus dem näheren Umkreis, vor allem aus Wettin, Löbejün und Alsleben. Nach Letzteren waren Schichten benannt und der umfangreiche tägliche Berufsverkehr (Busse) organisiert. Neben dem Stammbetrieb in Rothenburg/S. gehörten mehrere Zweigbetriebe zum Gesamtwerk wie z.B. Bernburg (Betonstahldrähte, Drahtwaren), Wiesenburg (CO 2 -Schweißdrähte), Staßfurt (vor allem Maschendraht), Zwickau (Stahlseile über 18 mm D., Anschlagseile), Wurzen (Stahlseile bis 20 mm D., Fördergurteinlegeseile, Anschlagseile) und Nebra (Kranseile, Fördergurteinlegeseile). Das Rothenburger Werk war untergliedert in Werk I (jetziger Haupteingang) und Werk II (unterhalb des Saale-Wehres), das historisch mit der Nutzung der Wasserkraft am Turbinengraben eine neue Etappe der Industrialisierung im Ort markiert hatte. In Letzterem wurden überwiegend dickere Stahldrähte (Federstahldrähte 4 – 16 mm D. und Kaltstauchdrähte 18/20/22 mm D.) sowie Drahtwaren hergestellt. Für diese autarke Stahldrahtfertigung gab es eine eigene Drahtbundbeize in der damals bekannten Bauart, d.h. mit nach oben offenen Becken, mit Schwefelsäure als Beizmedium und dampfbeheizt auf ca. 80 Grad C.. Ende der 70er Jahre wurde in einer neu errichteten Halle am Fuße der Schlackenhalde ein Fertigungsbereich für blanke und verzinkte Federstahldrähte (2 – 4 mm D.) in Betrieb genommen. In Werk I waren der überwiegende Teil der Stahldrahtfertigung, die Verseilerei wie auch die erforderlichen Versorgungs- und Nebenanlagen (z.B. Kesselhaus für Wärmeversorgung) angeordnet. Zum Fertigungssortiment gehörten hier vor allem Seildrähte (0,4 – 3,5 mm D.) zur Herstellung von Stahl- und Stahl-Aluminiumseilen sowohl für die eigene Verseilerei in Rothenburg/S. als auch für jene außerhalb des Stammbetriebs, Federstahldrähte (1 – 3,5 mm D.) zur Herstellung von technischen Federn (Maschinen- und Fahrzeugbau), Polsterfedern (Möbel- und Matratzenherstellung) sowie Eisendrähte (2 – 15 mm D.) für die Herstellung von Drahtwaren (Möbelindustrie/Küchen, Regale, Einkaufswagen u.ä.). Hinsichtlich ihrer Oberflächen wurden diese Drahtsortimente verzinkt oder blank hergestellt. Dafür wurden spezielle Anlagentechniken benötigt, die die erforderliche Drahtvorbehandlung gewährleisteten. Auch im Werk I gab es dafür eine separate Drahtbundbeize (gleicher Art wie im Werk II). Der Transport der Drahtbunde über die bzw. in die und aus den Becken erfolgte in beiden Beizen mit jeweils zwei Brückenkranen. Neue Beizanlage erforderlich Zur Herstellung von Stahldrähten wird bekanntlich als Vormaterial Walzdraht aus einem Stahl- und Walzwerk benötigt (Rothenburg/S. bezog diesen aus Brandenburg und Henningsdorf). Durch das Warmwalzen bei hohen Temperaturen oxydiert der Stahl an der Oberfläche, und es bildet sich eine sog. Zunderschicht: „Zunder ist im Vergleich zum Metall (Stahl) hart und spröde. Vor dem Ziehprozess muss der Zunder entfernt werden, um die Umformfähigkeit des Metalls zu gewährleisten. Die Zunderentfernung kann u.a. durch Beizen in mineralischen Säuren erzielt werden, auch mechanische Verfahren (Biege-, Strahl- oder Schleifentzunderung) sind möglich. Für Stahldrähte, d.h. für Drähte mit höheren Festigkeiten, wird vorwiegend das Beizen in Salzsäure genutzt. Dabei wird der Zunder gegenüber dem Eisen (Stahl) stärker angegriffen, bei Anwendung von Schwefelsäure ist es umgekehrt. Dabei wird der Zunder durch den Angriff auf das Grundmetall abgesprengt / gelockert. Durch das bevorzugte chemische Lösen des Zunders wird in Salzsäure … auch eine größere Beizgeschwindigkeit erzielt.“ (S. Quelle, Fachbuch 1973). Zu bemerken ist auch, dass bei Verwendung von Salzsäure auch mit einer geringeren Beiztemperatur gearbeitet werden kann. Man benötigt hierbei keine Druckspülung mit hohem Wasserverbrauch („Wasserspritzkanone“) und hat keine Probleme mit der Entsorgung des Walzzunders („Zunderabsetzbecken“). Vor jedem Drahtziehprozess muss nach dem Beizen eine Drahtvorbehandlung erfolgen, um beim Ziehvorgang die Reibungskräfte im Ziehwerkzeug (Ziehstein) möglichst gering zu halten und die Drahtoberfläche zu schonen. Zu diesem Zweck werden die Drahtoberflächen mit speziellen Schmiermitteln behandelt. Alle diese Vorgänge werden in Abhängigkeit von den Drahtbundgrößen in entsprechenden Behandlungsbädern vollzogen; sie werden in einer Drahtbund-Beizanlege in Reihe hintereinander angeordnet und über eine Ringkranbahn mit entsprechender Steuerung angefahren. Anfang der 1980er Jahre befanden sich die Gebäude, in denen im DSR gebeizt wurde, in einem sehr schlechten Zustand. Säuredämpfe und Luftfeuchtigkeit führten zu erhöhter Korrosion, auch an der gesamten Anlagentechnik. Großer Reparaturaufwand und überbordende Kosten waren die Folge. Entsprechend schlecht waren die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Das Beizen mit Schwefelsäure erwies sich im Hinblick auf Qualität als nicht mehr geeignet für Stahldrähte mit höherer Festigkeit; der Energieverbrauch war zu hoch. Das Betreiben zweier Beizanlagen an einem Standort war äußerst kostenintensiv. Umweltauflagen zur Abwasserbehandlung verschärften die Situation. V.a. aus diesen Gründen war der Bau einer neuen Drahtbund- Beizanlage im DSR rein sachlich erforderlich geworden. Der damalige Betriebsdirektor G. Fessel drängte ab 1981/82 auf eine entsprechende Investitionsvorbereitung (voraussichtlicher finanzieller Aufwand 85 Mio. Mark der DDR, davon 15 Mio. DM). Mit Nachdruck setzte er sich dafür ein, dass diese für die künftige Entwicklung des DSR wichtige Investition ( besonders für die Herstellung von Stahldrähten mit hohen Festigkeiten) beim damaligen Qualitäts- und Edelstahlkombinat Brandenburg befürwortet und vom zuständigen Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali genehmigt wurden. Vorbereitung des Projekts Nach der Aufnahme dieser Investition in die Dringlichkeitsliste des Ministerrats der DDR konnte mit den konkreten Vorbereitungen zum Bau der neuen Beize begonnen werden. Da es in der DDR keine Hersteller solch spezieller Beizanlagentechnik gab, wurde dank o.g. Genehmigung einem Import aus dem nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW) zugestimmt. Besonders in der metallurgischen Industrie der DDR war der Erwerb moderner leistungsfähiger Industrieanlagen aus dem NSW schon häufig realisiert worden (Stahl- und Walzwerke Henningsdorf, Brandenburg, Ilsenburg und Unterwellenborn). Für Einkauf, Vertragsvorbereitung und -abschluss war der Außenhandelsbetrieb der DDR Industrieanlagenimport (IAI) Berlin zuständig. Die technische Konzeption für den Bau der neuen Beize musste in Regie und Verantwortung des DSR erarbeitet werden. Dazu wurde ein Aufbaustab berufen; als dessen Leiter wurde Ch. Dietze eingesetzt.