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12/2012
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Vom Kupferhammer und der Prinz Carlshütte zum Draht- und Seilwerk - vom Kupfer zum Stahl - Quellen : Wilcke, W. F., „Geschichte des Hüttenortes Rothenburg an der Saale“, Rothenburg 1832; Stuffrein, P., „Zeittafel der Geschichte von Rothenburg an der Saale“; Trosien, H.G., Borcherdt, J., Oelke, A., „Draht- und Seilwerk Rothenburg“ in „Mansfeld. Geschichte des Berg- und Hüttenwesens“, Bd. 3, S. 245-266, Bochum/Eisleben 2008
F O R T S E T Z U N G 1934 wurde in Vorbereitung des II. Weltkrieges als Bestandteil der Mansfeld AG (Kupfer- und Messing- werk Hettstedt) eine Munitionsfabrik in Rothenburg errichtet. Dazu gehörten ab 1938 eine Aluminium- drahtzieherei mit Verseilerei für Rein- und Stahlaluminiumseile sowie eine Stahldrahtzieherei. In den letzten Kriegsjahren arbeiteten im Werk ca. 1000 Beschäftigte sowie ca. 2000 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. In Rothenburg wurde auch ein Außenlager des KZ Buchenwald betrieben. Mit dem Ende des II. Weltkrieges endete auch die 3. Entwicklungsetappe des Rothenburger Werkes. Nach Kriegsende wurden die Anlagen für die Kriegsproduktion demontiert. Es blieben die Zieherei- und Verseilanlagen erhalten. In zwei Abteilungen, der Metallfabrik und dem Drahtwerk, fertigten 80 Beschäftigte u.a. Haushaltsgeräte, Baubeschläge, Ersatzteile für Landmaschinen, gezogene Drähte, Seile, Drahtgeflecht und Drahtkörbe. Das Werk bekam 1946 den Namen Industriewerke des Landes Sachsen-Anhalt Metallwarenfabrik und Drahtwerk Rothenburg (Saale) vormals Mansfeld AG. 1948 hatte das Werk inzwischen über 300 Beschäftigte. Mit der Bildung der „Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB)“ erhielt das Werk eine neue Zuordnung mit folgendem neuen Namen: VVB Technischer Eisenwaren (TEWA) Metallwarenfabrik und Drahtseilwerk Rothenburg(Saale). Der Ausbau des Werkes, insbesondere der Draht- und Seilfertigung, erfolgte kontinuierlich. Weiterhin wurde die Nockenwellenfertigung für Dieselmotoren aufgebaut. 1952 erhielt der Betrieb den Namen VEB Draht- und Seilwerke Rothenburg/Saale Betrieb der VVB TEWA 1954 wurde das Werk aus dem Verband der TEWA herausgenommen und direkt dem Ministerium für Allgemeinen Maschinenbau unterstellt. Die Fertigungsmenge wuchs von 300t im Jahr 1949 schnell auf 14.000t im Jahr 1955 an. Die Mitarbeiterzahl stieg auf ca. 1000. Ab 1951 wurden Stahldrahtzieher und Verseiler ausgebildet. Umfangreiche Investitionen im Jahr 1956 erweiterten die Produktionspalette und ermöglichten vor allem die Herstellung hochwertigerer Produkte. 1957 wurde das Draht- und Seilwerk Rothenburg dem Ministerium für Berg- und Hüttenwesen zugeordnet und dem Walzwerk Hettstedt als Betriebsteil unterstellt. Wieder änderten sich Name und Anschrift: VEB Vereinigte NE-Metall-Halbzeugwerke Hettstedt Draht- und Seilwerk Rothenburg. 1968 führten Umstrukturierungen in der DDR-Industrie zur Trennung vom Walzwerk Hettstedt und 1970 zur Eingliederung in das Qualitäts- und Edelstahl-Kombinat im Bereich des Ministeriums für Erzbergbau, Metallurgie und Kali. Und wieder wurde der Betriebsname geändert: VEB Draht- und Seilwerk Rothenburg im VEB Qualitäts- und Edelstahlkombinat. Seit 1952 unterhielt das Werk eine Betriebs-Berufsschule. 1977 erfolgte ein Neubau, und 1978 wurde ein Internat mit 100 Plätzen fertiggestellt. Ein kurioses Ereignis soll hier noch erwähnt werden: Am 27. März 1983 setzten sich um 0.25 Uhr auf dem Bahnhof Könnern 2 für das Werk bestimmte Waggons in Bewegung und rollten ohne Lok und Personal bis an den Prellbock im Drahtwerk. Auf der Fahrt wurden 2 Fernverkehrsstraßen (B 71 und B 6) ohne geschlossene Schranken passiert. Zum Glück gab es keine Unfälle und Personenschäden, abgesehen von dem zerstörten Prellbock im Werk. Zum Betrieb gehörten dann bis zur Privatisierung nach der ‚Wende‘ Werke in Bernburg, Wiesenburg, Staßfurt, Wurzen, Zwickau, Nebra, Lugau/Ölsnitz, Glauchau und die Drahtforschungsstelle Leipzig mit insgesamt ca. 3.000 Beschäftigten; davon waren ca. 1600 in Rothenburg angestellt. Insgesamt 215.000 t/a Drähte, Seile und Drahtwaren wurden gefertigt, davon 100.000 t/a allein in Rothenburg. Mit Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion zwischen DDR und BRD am 1. Juli 1990 wurde die Draht- und Seilwerke GmbH als Unternehmen der Treuhandanstalt gegründet. Neue Strukturen wurden installiert. Es gab eine Geschäftsführung, einen Aufsichtsrat und einen Betriebsrat. Bis zur Privatisierung erfolgte ein drastischer Personalabbau auf 482 Mitarbeiter, welcher durch Vorruhestandslösungen und Gründung einer Beschäftigungsgesellschaft (zeitweilig über 500 Mitglieder) abgemildert werden sollte. Die Privatisierungsverhandlungen gestalteten sich sehr schwierig. Als die Gefahr bestand, dass die WDI sich als Kaufinteressent zurückziehen würde und damit die Liquidierung des Unternehmens drohte, organisierte der Betriebsrat mit Unterstützung der IG Metall eine ungewöhnliche Protestaktion. Am Freitag, den 13. Dezember 1991 demonstrierten ca. 500 Draht- und Seilwerker vor der Treuhandanstalt in Berlin, Alexanderplatz für den Verkauf an die WDI – und sie hatten Erfolg. 1992 erfolgte die Privatisierung durch die Westfälische Drahtindustrie GmbH mit Sitz in Hamm(Westfalen) mit den Standorten Rothenburg, Staßfurt, Wurzen und Zwickau. Es begannen umfangreiche Investitionen in Maschinen und Anlagen sowie in die betriebliche Infrastruktur. Das Werk Rothenburg wurde zu einem der modernsten Draht- und Seilwerke Europas ausgebaut und zählt heute zu den 100 größten Industriestandorten in Sachsen-Anhalt. Hier werden jährlich mit über 350 Beschäftigten über 100.000t Stahldrähte, Schweißdrähte, kunststoffummantelte Drähte und Freileitungsseile hergestellt. Der Jahresumsatz beträgt etwa 120 Mio €. Die Westfälische Drahtindustrie GmbH zählt zu den marktführenden Unternehmen in der Draht- und Seilbranche Deutschlands. An 17 Standorten in Deutschland und einem Standort in Kanada produzieren ca. 1200 Beschäftigte über 600.000t Drähte und Seile im Jahr mit einem Jahresumsatz von ca. 600 Mio €. Neben dem größten Standort Hamm, an dem sich auch der Unternehmenssitz befindet, ist Rothenburg das zweite große Werk der WDI; die restlichen Standorte beschäftigen unter 100 Mitarbeiter. Der Betrieb trägt nun den Namen Westfälische Drahtindustrie GmbH Werk Rothenburg. Impressum: Rothenburger Geschichte(n), Schriftenreihe Nr. 24/ Dezember 2012 . 5. Jahrgang Nr. 5 Verantw.: Gregor Müller