Eisenbahngeschichte Könnern – Rothenburg (Saale) – Teil I
Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf einem Artikel von
G. Zieglgänsberger in W.D. Machel, Neben- und Schmalspurbahnen in Deutschland, o.O., o.J., Sammlung
Zu den wenigen ehemaligen Kleinbahnen, die die Deutsche Bahn (DB) noch heute betreibt, gehört die Strecke
Könnern – Rothenburg (Saale). Grund dafür sind die Draht- und Seilwerke in Rothenburg, die die nur 5,6 km lange
Stichstrecke zum Transport von Halberzeugnissen und Fertigprodukten nutzen.
Beim Bau der Strecke Halle (Saale) – Halberstadt hatte die Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn das Saaletal
aufgrund seiner alljährlichen Hochwasser gemieden. So führte die zwischen 1871 und 1872 eröffnete Hauptstrecke
über die oberhalb des Tals liegende Kleinstadt Könnern. Die Gemeinde Rothenburg und mit ihr das damalige
Messingwerk (Stillegung 1926 in Folge der Wirtschaftskrise; Gelände des heutigen Werks II) hatten das
Nachsehen.Interessierte Kreise der ebenfalls im Saaletal gelegenen Kleinstadt Wettin schlugen im Jahre 1886 den
Bau einer Eisenbahnstrecke von Könnern über Rothenburg (Saale) bis nach Wettin vor, die aber aufgrund ihrer
unwirtschaftlichen Trassenführung im Hinblick auf eine möglichst kurze Verbindung nach Halle (Saale) keine Chance
hatte, verwirklicht zu werden. In den folgenden Jahrzehnten waren die Rothenburger weiterhin vornehmlich auf
Fuhrwerke angewiesen, denn die Saaleschifffahrt konnte nur einen Teil des Güterverkehrs übernehmen. Doch für die
traditionellen Firmen der metallverarbeitenden Industrie, unter ihnen die Rothenburger Messinghütte, wurde um die
Jahrhundertwende ein Bahnanschluß immer wichtiger.
Zugunsten einer Kleinbahn
Schließlich suchten die an einem Bahnbau nach Rothenburg interessierten Anlieger zielgerichtete Gespräche mit dem
Landrat Saalkreis. Auch er war von der Notwendigkeit einer Schienenverbindung überzeugt und beantragte am
8. Januar 1911 beim preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten auf der Grundlage des Kleinbahngesetzes den Bau
und Betrieb einer normalspurigen Kleinbahn von Könnern nach Rothenburg . Schon am 1. April 1911 gab der Minister
diesem Vorhaben grünes Licht. Ab 18. Dezember 1912 lag der Bauplan für den Bereich der Gemarkung Könnern zur
Einsichtnahme für die Öffentlichkeit aus. Anfang 1913 war schließlich ein Drittel des Baukapitals gesichert. Die
Gemeinden Könnern und Rothenburg überließen den für den Bahnbau erforderlichen Grund und Boden kostenlos.
Lange Verhandlungen
Die Verhandlungen über die Finanzierung des Kleinbahnbaus zogen sich jedoch weiter in die Länge. Förmlich über
Nacht erlangte das Rothenburger Messingwerk als Zulieferer für die Rüstungsindustrie im Vorfeld des 1. Weltkrieges
(1914-1918) besondere Bedeutung. Um einen reibungslosen Güterverkehr von und nach Rothenburg zu ermöglichen,
wurde der Kleinbahnbau nun beschleunigt. Am 12. Juni 1915 gründete sich die Kleinbahn-Aktiengesellschaft Könnern-
Rothenburg mit dem Sitz in Könnern. Zu diesem Zeitpunkt lief der Bahnbau bereits auf Hochtouren. Noch im
September 1915 wurde der Bau von zwei Brücken bei Rothenburg zur Überquerung des unteren und oberen
Mühlgrabens in Angriff genommen. Die Konzession zum Bau und Betrieb der normalspurigen Kleinbahnstrecke
Könnern-Rothenburg erteilte der Königliche Regierungspräsident zu Merseburg am 25. Oktober 1915 auf 100 Jahre.
Mit den Erdarbeiten konnte erst im Juni 1916 begonnen werden. Zuständig für den gesamten Bahnbau war der
Landeshauptmann der preußischen Provinz Sachsen, der die Verantwortung dafür an seine Spezialisten in der
provinzialsächsischen Kleinbahnabteilung mit Sitz in Merseburg übertragen hatte.
Im Weltkrieg eröffnet
Trotz kriegsbedingter Schwierigkeiten genoß das Kleinbahnprojekt Könnern-Rothenburg Priorität. Aber dennoch
gerieten die Arbeiten wegen fehlender Arbeitskräfte mehrmals ins Stocken. Hinzu kam, dass die wirtschaftliche Lage
des Deutschen Reichs zur äußersten Sparsamkeit zwang. Am 28. November 1916 durfte auf der Kleinbahn der
provisorische Güterverkehr aufgenommen werden. Nach der landespolizeilichen Abnahme wurde die sehr bescheiden
ausgestattete Strecke am 24. Dezember 1916 für den öffentlichen Reise- und Güterverkehr freigegeben. Die beiden in
Dienst gestellten Lokomotiven waren bereits zehn Jahre alt. Einen eigenen Wagenpark besaß die Kleinbahn-
Gesellschaft zunächst nicht. Zwei Personenwagen und einen Gepäckwagen hatte man angemietet. Die größte
Steigung der exakt 5,682 Kilometer langen Strecke betrug 1:70, der kleinste Bogenhalbmesser 200 Meter. Auf je 14
Holzschellen waren die jeweils 9,114 m langen und 24,8 kg/m schweren Vignolschienen befestigt (nach der von dem
Engländer Charles Baker Vignoles ,1792 – 1875, entwickelten Breitfußschiene). Die Übergabegleise in Könnern
bestanden aus dem Schienenprofil 8 mit einer Masse von 41 kg/m. Die Gleise lagen in Kiesbettung, anfänglich
teilweise in Kupferschlacke, die sich aber nicht bewährte und bald entfernt werden mußte.