51
12
4
12/2019
Geschichte der Prinz Carlshütte
Quellen: P. Stuffrein, Zeittafel der Geschichte von Rothenburg an der Saale, Rothenburg 2008.
Prof. M. Tullner, Die Revolution von 1848/49 in Sachsen-Anhalt, Mitteldeutscher Verlag Halle, 2014.
F. Wilcke, Geschichte des Hüttenortes Rothenburg an der Saale, Rothenburg 1832.
Prinz Carlshütte um 1910
Stanzenraum der Prinz Carlshütte
Beginn
Die Prinz Carlshütte in der damaligen Bruckschen Straße (heute Friedensstraße) wurde von Julius Martini
1840 zunächst als Kokerei gegründet, aus der er kurze Zeit später ein Eisenschmelzwerk machte. Dieses
wurde Pfingsten 1841 eröffnet. Hier wurde Brauneisenstein aus Greifenhagen verschmolzen.
Ab 1844 erfolgte der Umbau der Prinz Carlshütte zu einer Maschinenfabrik und Eisengießerei zur Herstellung
von Pumpenteilen aller Art.
Der Regierungsbezirk Merseburg mit der Stadt Halle und die anhaltinischen Staaten (z.B. Anhalt-Köthen,
Anhalt-Zerbst u.a.) hatten bis 1848 keine Industriezentren mit ähnlich großen industriellen Unternehmen wie
im Magdeburger Gebiet hervorgebracht. Bis 1840 waren etwa in der Stadt Halle nur vereinzelt
Dampfmaschinen in Betrieb. Erst mit dem Umbau der Prinz Carlshütte nahm im Raum Halle die erste
Maschinenfabrik- und Eisengießerei ihre Tätigkeit auf. Die Leitung dieses Betriebes lag in den Händen von
„Potsdamer Herren“, wie Pfarrer Dr. Wilcke aus Rothenburg einst schrieb, und wurde dann von verschiedenen
Direktoren übernommen (um 1861 war ein Herr Kemnitz Direktor der Hütte).
Aus dem Hauptverwaltungsbericht des Oberbergamtes Halle, 1860, Bd. 20, Bl. 157-158 geht bezüglich der
Prinz Carlshütte folgendes hervor:
„Zwei Kupolöfen verarbeiteten 1860 10.343 Ztr. schottisches Roheisen (via Hamburg) und 3.126 Ztr. altes
Gusseisen aus der Umgebung. Hergestellt wurden 12.411 Ztr Eisengusswaren (1859 = 13.224 Ztr.). Zum
Schmelzen wurden verbraucht: 2.100 Tonnen (Hohlmaß) englischer Koks (via Hamburg), 46 Tonnen Wettiner
Steinkohle, 80,5 Tonnen Holzkohle und zur Dampferzeugung 1.313 Tonnen Braunkohle aus Nietleben. (1
Tonne Braunkohle wog 3 Ztr. = 150 Kg). Hauptsächlich erzeugte Gusswaren waren: Teile von Dampf-
maschinen und Pumpen, Apparate für Zuckerfabriken und Brennereien, Teile für landwirtschaftliche
Maschinen.
Der Absatz betrug 1859 14.087 Ztr. Und 1860 11.838 Ztr. Die Belegschaft 1859 betrug 140 Mann und
1860 131 Mann“.
Die Blütezeit des Betriebes lag um 1890. Zu dieser Zeit befand sich die Hütte in den Händen von Grauel,
Hensel & Co.. Hergestellt wurden dampfbetriebene Pumpen aller Art und auch Aufzugseinrichtungen.
In der „Fabrik-Ordnung für die Werkstätten der Eisengießerei und Maschinenbau-Anstalt Prinz Carlshütte zu
Rothenburg“ vom 1. November 1861 war eine Arbeitszeit von 6.00 Uhr bis 19.00 Uhr festgelegt. Von 7.30 bis
8.00 Uhr und von 16.00 bis 16.30 Uhr war Frühstücks- bzw. Vesperpause. Die Mittagszeit ging von 12.00 bis
13.00 Uhr. Die tägliche Arbeitszeit betrug also elf Stunden. Der Lohn wurde aller vierzehn Tage samstags zum
Schichtende gezahlt.
Reklamebild der Prinz Carlshütte Aktie der Prinz Carlshütte von 1909
Die Prinz Carlshütte wurde am 1. Februar 1909 mit Wirkung vom 1. Januar 1909, eingetragen in Könnern am
9. März 1909, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die herausgegebenen Aktien beliefen sich auf 1000
Reichsmark. Das Stammkapital betrug 500.000 Mark. Dieses wurde 1916 während des I. Weltkrieges auf
300.000 Mark herabgesetzt. 1924 erfolgte die Umstellung des Kapitals von 300.000 Mark auf 75.000
Reichsmark (Inflationsbedingt);
Julius Martini zog sich aus den Geschäften zurück. Seine vermögende Witwe, Amalie Martini, baute in der
Bruckschen Straße 1909 ein großes Haus als Kinderheim. Dieses Kinderheim wurde 1928 durch einen
Neubau ersetzt (siehe Rothenburger Ge-schichte(n) Nr. 26, Juli 2013) - heute Ruine Betriebsambulatorium.
Amalie Martini ließ im übrigen auch die Trauerhalle auf dem Kirchfriedhof errichten. Die Aktiengesellschaft
verkaufte den Betrieb an einen Herrn Heber aus Halle, welcher das Beamtenhaus errichten ließ (Gebäude
links am heutigen Eingang zum Werk I). Der Betrieb ging dann an den Generaldirektor der Zollernwerke
(gegr. 1708 durch Prinz Meinrad II. von Hohenzollern-Sigmaringen in Baden-Württemberg) Steinecke über.
Dieser trennte sich wegen fehlender Wasserkraft bald wieder von dem Betrieb, der vom Eisengießereibesitzer
Hallström aus Nienburg an der Saale übernommen wurde. Dieser starb jedoch bald nach der Übernahme, und
keiner seiner Söhne hatte Interesse, diesen Betrieb weiter zu führen.
1917 brannte die Prinz Carlshütte teilweise ab. Betroffen war jener Teil der Hütte, auf dem dann 1921 die
beiden Wohnhäuser mit insgesamt 20 Wohnungen erbaut wurden. Der dann aus vier Häusern bestehende
Wohnkomplex wurde „Kolonie“ genannt.