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09/2014
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Die beiden letzten Rothenburger Veteranen Seit 14. September 1847 unzertrennliche Freunde und Kameraden: Die ältesten Einwohner der Saalkreisgemeinde Rothenburg, LouisThiele* und Franz Schmidt, vollenden das 90.Lebensjahr Quellen : Artikel - Hallische Nachrichten v. 13.09.1937 und Saale Zeitung vom 15.09.1937 Mitarbeiter dieser Zeitungen berichten am 13.09.1937 und am 15.09.1937 über ein besonderes Ereignis in Rothenburg a. d. Saale
F O R T S E T Z U N G Mit abgewogener Gemessenheit, mit dem Schritt des seelisch ausgeglichenen alten Mannes, ging Thiele zu seiner Kommode, entnahm ihr das Familienbuch, erzählte vom Tag seiner Trauung und gab die Geburtstage seiner Kinder an. Man brauchte den 90jährigen nicht viel zu fragen. Er selbst erzählte und schilderte die Wege seines Lebens, die vor ihm wie ein aufgeschlagenes Buch lagen, die mit offener Geradlinigkeit beschritten wurden. Das Leben hat seine harten und unerbittlichen Gesetze. Der Alte hat sie gemeistert in unwandelbarer Treue und im ständigen Pflichtgefühl für seine Familie. Sein Leben war und ist eine geometrische Ebene. Nie lag ein Fehler in der Berechnung der Dinge. Und packte das Leben wirklich einmal hart zu, dann war dieses Zupacken für Louis Thiele die höhere, bedingungslose und unbekannte Macht, an der man auch scheitern könnte. Louis Thiele scheiterte nicht. Temperament der „alten Jugend“ in der Wettiner Straße „Wenn Sie ein wenig langsam gehen, komme ich gleich mit zu Franz Schmidt!“ Dieser Weg in die Wettiner Straße an der Seite des 90jährigen Veteranen war ein sinnvolles Erlebnis. Nur leicht gebückt, mit dem Stock in der Hand, und mit dem Schritt etwa eines 60 jährigen ging Thiele den Hartmannsberg hinauf, dann bergab und wieder bergauf in die Wettiner Straße zu dem anderen Veteranen Rothenburgs: Franz Schmidt: Franz Schmidt saß am Fenster. Als sein alter Lebenskamerad eintrat, strahlte offene und ehrliche Freude über sein Gesicht. Dieser zweite Besuch bei einem zweiten 90jährigen war kaum eine Verschiebung in eine andere Welt. Mit der gleichen Schwungkraft wie schon Louis Thiele begrüßte uns Franz Schmidt. In seinen Fragen und Antworten lag das Temperament, das man auch Temperament der „alten Jugend“ nennen kann. Auch Franz Schmidt ist der Schlag des Schiffers mit dem kurzen Vollbart. Klar der Blick, frisch der Geist, und lebhaft die Gebärden. Sie könnten Zwillingsbrüder sein, die beiden Veteranen in Rothenburg. Brüder, die sich ein Leben lang gegenseitig ergänzt haben und sich auch in ihren letzten Lebensjahren ergänzen. Drei Jahre später als Louis Thiele – 1879 – heiratete Franz Schmidt und fünf Kinder (darunter Zwillinge) musste er in das Grab schauen. Das war bitter für Franz Schmidt! Und es ist heute noch bitter für ihn. Aber Louis tröstete ihn sofort mit den Worten: „Franz, darfst nicht mehr daran denken“. Zwei Kinder hat das Leben des 90jährigen erhalten: Einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn ist in Möderau bei Halle, die Tochter in Klein- Machnow bei Berlin verheiratet. Und mit innerer und äußerer Begeisterung erzählt Großvater Schmidt, dass seine Enkelin 5000 RM in der Lotterie gewonnen hatte und dass von dem Geld die Eltern sofort ein Siedlungshaus bauten. Nachdem sich Franz Schmidt 1880 von der Schifffahrt zurückgezogen hatte, führte auch ihn der Weg ins Rothenburger Werk. Bis 1910 war er dort tätig, und kaum 63 Jahre war er alt, als man ihm das „Büchsengeld“ und später die Rente gab. Franz Schmidt wollte aber noch nicht brachliegen. Sein alter Jugendfreund holte ihn mit auf die Straße. Und nun arbeitete Franz wieder mit seinem alten Freund Louis zusammen. Wo man nach Franz Schmidt rief, war er da. Bis dann eines Tages beide Veteranen sich zurückzogen, um jüngeren Kräften den Weg frei zu machen. Es war wie eine Andacht, die beiden Alten von Rothenburg von ihrer Unterhaltung zu hören. Aus jedem Wort fühlte man die jahrzehntelange Verbundenheit, die starke Anteilnahme, wenn im Laufe der Woche der eine etwas erlebte, was der andere nicht erleben konnte. Der 90. Geburtstag Schon am frühen Morgen brachte ihnen der Chor der Schule unter der Leitung von Hauptlehrer Hedenius ein Ständchen, dessen Programm die Bedeutung des Tages entsprechend mit dem Danklied „Lobe den Herren“ begann, mit dem die alten Soldatenherzen erfreuenden „Argonnerwald“ weiterging und mit dem Gebet“ So nimm denn meine Hände“, dreistimmig gesungen, ausklang.Um 10 Uhr fand im Gasthaus „Zum Schützen“ die offizielle Geburtstagsfeier statt, zu der der Bürgermeister von Rothenburg, Bosse, eingeladen hatte. Die beiden alten Herren taten, wie sie des Sonntags beim Gang zum gewohnten Schoppen zu tun pflegten: sie kamen, der eine die Wettiner Straße hinab, der andere den Hartmannsberg hinauf, trafen sich an der Ecke und gingen gemeinsam zum Gasthof, so wie sie ihr Leben lang eigentlich gemeinsam gespielt, gelernt, marschiert, gegangen, gearbeitet – kurz: gelebt haben. Hier wurden die Jubilare bereits erwartet. Bürgermeister, Vertreter der Gemeinde, zahlreiche Gemeindemitglieder sowie Verwandte und Freunde waren erschienen und waren Zeuge einer schönen Feier, mit der der Bürgermeister zwei selten reiche und einander gleichende Lebensläufe schildern konnte. Das Lebensbild umriss der Bürgermeister Bosse anschaulich. Die beiden alten Herren sind zudem aber lebendige Ortschronisten. Was nicht in den Büchern zu finden ist, das steht in ihrem ausgezeichneten Gedächtnis vermerkt, das zurückreicht bis auf die Namen ihrer längst verstorbenen Schulkameraden. Am Leben der Gegenwart nehmen sie gleichfalls regen Anteil: Vor allem sind sie Mitglieder des über hundert Jahre alten Rothenburger Schützenvereins, der die Tradition des Kriegervereins wach hält und auch dessen Fahne in Verwahrung hat. Die beiden Geburtstagskinder wurden namens des Landrats ein Glückwunschbrief überreicht, in dem je 20 Mark lagen. Von der Gemeinde wurden in eine Kiste Zigarren, eine Flasche Rum, ein Paket Tabak sowie Leibwäsche und Blumen gespendet. Ein Privatmann hatte je einen Korb edlen Obstes gestiftet. Der Wirt „Zum Schützen“ machte seinen alten Stammgästen eine besondere Freude: Er hatte ihnen ein Stammglas mit den Initialen „FS“ und „LT“ anfertigen lassen – denn die beiden alten Freunde sind gute Kunden im „Schützen“, wo sie allsonntäglich ihre vier bis fünf Glas Bier, im Winter auch einige steife Grogs, zu sich nehmen pflegten, die ihnen, wie sie versichern, noch heute ausgezeichnet bekommen. Um halb elf Uhr wurde dann der Rundfunk eingeschaltet, und die festliche Versammlung vernahm drahtlose Glückwünsche, in die sie fröhlich einstimmte. Ein gemütlicher Frühschoppen beendete die Feier. Den ganzen Tag über riss aber die Kette der Gratulanten nicht ab. Und in den freundlichen Stuben, deren Wände mit einer grünen 90 geschmückt waren, standen Blumen über Blumen und die unzähligen Geschenke, die aus Anlass des seltenen Festes zusammen gekommen waren.“ Louis Thiele ist in direkter Linie u.a. der Ur-Ur-Urgroßvater von Tim Becker Gaststätte „Zum Schützen“ - Geburtstagsfeier Impressum : 500 Jahre Industriegeschichte Rothenburg a.d.Saale e.V. „ Am Kindergarten 11,06193 Stadt Wettin –Löbejün Verantwortlich : Wolfgang Becker