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09/2012
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Die Firma Kuhnert Drahtwaren GmbH Rothenburg – eine Erfolgsgeschichte Die nachfolgenden Ausführungen beruhen u. a. auf auf Dokumenten der Fa. Kuhnert sowie auf „Büchel -Tradition, Innovation, Dynamik“, Firmenkatalog 2011
Die Darstellung des Industriestandortes Rothenburg/S. wäre lückenhaft ohne gebührende Würdigung der Firma Kuhnert Drahtwaren GmbH. Hubert Kuhnert (geb. am 28. 09. 1924 im damaligen Langewiese, heute Polen) hatte es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Rothenburg verschlagen. Er teilte damit das Schicksal von Millionen Flüchtlingen und Umsiedlern in Deutschland. Nach Tätigkeit im Werk Rothenburg (damals Zweigbetrieb der Mansfeld AG Hettstedt) und als Vertreter in Halle/S. gründete er, gelernter Industriekaufmann, zusammen mit einigen anderen Umsiedlern am 23.05.1947 die „Kunstblumen-Heimwerk“ Genossenschaft mbH zu Rothenburg/S. (s. Anhang). Dieser mutige Schritt setzte unter den Bedingungen der unmittelbaren Nachkriegszeit in der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR hohe Risikobereitschaft, unternehmerisches Können und Flexibilität voraus. Das Unternehmen begann in Heimarbeit mit der Herstellung von Drahtgebinden für Kunstblumen und Friedhofsschmuck. Hubert Kuhnert nutzte dabei das Haus, das er mit der Familie Willi Sturm in der Friedensstraße bewohnte. Anfang 1947 hatte er Anita Sturm geheiratet. Bald wurde die Produktionspalette um andere Bindebedarfsartikel erweitert, auch unter Nutzung einer Scheune unterhalb der ehemaligen Fleischerei Krüger (Heulager der ehemaligen Rothenburger Kupferschmelzhütte).
um 1960
Während der 50er Jahre konzentrierte die Genossenschaft ihre Produktion in einem Gebäude in der Siedlung, das zuvor eine Tischlerei beherbergt hatte. Hier wurden zunehmend solche Artikel wie Fahrradkörbe und –gepäckträger, Kühlschrankroste, Körbe für Küchenspülen und andere Drahtwaren hergestellt. Vor dem Hintergrund des riesigen Bedarfs nach Gebrauchsgütern entwickelte sich das Unternehmen, ab 1956 unter dem Namen „Produktionsgenossenschaft des verarbeitenden Handwerks“, unter Leitung von Hubert Kuhnert stetig aufwärts. Kleine und mittlere Betriebe hatten damals den Hauptanteil an der Befriedigung dieses Bedarfs. Bis heute ist die Bezeichnung PROGERO ( Pro duktions ge nossenschaft Ro thenburg) vielen Bürgern noch ein Begriff. Die Genossenschaft war in der DDR sogar zum einzigen Hersteller von Fahrradkörben und später auch von Gepäckträgern geworden. Der Betrieb konnte unter diesen Voraussetzungen erweitert werden. Die Zahl der Mitarbeiter stieg beträchtlich. Als 1972 auch das Genossenschaftsunternehmen Kuhnert enteignet und in Volkseigentum überführt wurde, hatte der Betrieb 70 Beschäftigte. Als „VEB Drahtverarbeitung und Plastebeschichtung Rothenburg“ wurden Gebäude und Anlagen bedeutend erweitert, und die Zahl der Arbeitskräfte stieg auf 100 an, davon 80 Frauen. Schwerpunkt der Produktion blieb die Herstellung von Fahrradzubehör, auch für den Export. Hubert Kuhnert, der bis 1984 Betriebsdirektor geblieben war, beschreibt im Rückblick in einem Interview mit der ‚Mitteldeutschen Zeitung‘ vom 31.08.1995 die besondere Stellung des Betriebes als Zulieferer für die Fahrradindustrie so: „… da hatten wir quasi ausgesorgt. Nicht einmal die wirtschaftlichen Experimente der SED konnten daran etwas ändern“. Auch nach dem Zusammenbruch der DDR 1989/1990 gab es weiteren Bedarf an Fahrradzubehör. Hubert Kuhnert nutzte die bestehende Möglichkeit der Reprivatisierung des Betriebs und gründete mit einigen Mitgliedern der früheren Genossenschaft die „Kuhnert Drahtwaren GmbH“. Selbst bereits im Rentenalter, musste er einen in der Produktion von Fahrradzubehör tätigen Partner suchen und fand ihn mit Erhard Büchel, der Teilhaber der Firma Kuhnert wurde. Die Büchel GmbH & Co. Fahrzeugteilefabrik KG mit Sitz (Verwaltung und Vertrieb) in Fulda ist ein Familienunternehmen, dessen Kerngeschäft die Produktion von Fahrradteilen ist und dessen Produktpalette daneben von Automobilzulieferungen bis hin zu Kunststoff- und Lifestyle-Produkten reicht. Die Firma war 1920 in Zella-Mehlis (Thüringen) von den Brüdern Hugo und Karl Büchel als kleine Fabrik zunächst für Stimmgabeln gegründet worden, bis sie 1939 in der Fahrradproduktion 121 Mitarbeiter beschäftigte. In der damaligen Sowjetischen Besatzungszone 1948 enteignet, bauten die Brüder sofort wieder eine Fahrradteile- Produktion in Fulda (Hessen) auf. In den frühen 80er Jahren wagte Erhard Büchel in zweiter Generation als erster deutscher Mittelständler den Schritt nach China, nachdem dort die wirtschaftliche Öffnung eingeleitet worden war. In Shanghai etablierte er ein deutsch-chinesisches Joint Venture, dem 2006 und 2011 weitere folgten. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands investierte die Firma Büchel in den neuen Bundesländern. Mittlerweile sind an 5 Standorten in Deutschland über 230 Beschäftigte tätig (zusammen mit den Standorten in China über 600), an denen von der Felge bis zum Sattel („Technik rund ums Rad“) erfolgreich auf hohem Qualitätsniveau produziert wird. Die fünf Standorte sind einschließlich der Firmenverwaltung in Fulda (Hessen): Zella-Mehlis und Barchfeld (Thüringen), Oederan (Sachsen) und Rothenburg/S. (Sachsen-Anhalt). Hier, in Rothenburg/S., ist die Firma Kuhnert Drahtwaren GmbH auch seit 1990 der einzige deutsche Hersteller von Fahrradgepäckträgern und – körben aus Draht. Neu sind jetzt hinzugekommen aus Stahlrohr gefertigte Gepäckträger für E-Bikes. Zum Lieferumfang gehören ebenfalls Schutzblechstreben und Rohrträger aus Stahl und Aluminium. Aluminiumstreben, V-Streben und Überlaufstreben werden auch gefertigt. Hubert Kuhnert hat mit der gelungenen Reprivatisierung 1990 einem erfolgreichen Unternehmen den Übergang in die Marktwirtschaft ermöglicht. Unter seiner Geschäftsführung wurden dank seines unternehmerischen Talents und Könnens und durch Automatisierung der Produktion nach modernsten Gesichtspunkten die Produktivität des Unternehmens beachtlich erhöht und die Produkte marktfähig gemacht. Abnehmer sind Fahrradhersteller in ganz Deutschland und der EU.