20
5
1
03/2012
Von der Mühle zur Näpfchenfabrik
Die nachfolgenden Ausführungen beruhen u. a. auf
einer
am
2.
August
1926
angefertigten
handschriftlichen
Aufzeichnung
des
letzten
Direktors
des
Kupferhammer-
und
Messingwerkes Rothenburg Otto Grobecker vor der Stilllegung im Jahr 1927.
Bekanntlich
befand
sich
die
erste
Mühle
in
Rothenburg
im
Wilden
Busch
unterhalb
des
Wehres.
Erstmalig
wurde
diese
Mühle
in
einer
Urkunde
aus
dem
Jahr
1150
erwähnt,
worin
der
Tausch
der
Mühle
durch
Erzbischof
Wichmann
an
das
Kloster
„Unser
Lieben
Frauen“
in
Magdeburg
genannt
wird.
Nach
Zerstörung
der
Mühle
im
Wilden
Busch
und
der
1550
auf
der
rechten
Seite
des
Mühlgrabens
errichteten
Schmelzhütte
durch
den
Grafen
Hans
Georg
von
Mansfeld
im
Jahr
1566
wurde
1576
eine
neue
Mühle
an
der
Stelle
der
abgebrannten
Schmelzhütte
errichtet.
Diese
befand
sich
damals
etwas
weiter
stromab
in
Richtung
Norden.
Sie
wurde
im
30jährigen
Krieg
niedergebrannt.
Nach
Ende
des
Krieges
erfolgte
der
Wiederaufbau.
Diese
Mühle
musste
dem
ab
1854
beginnenden
Bau
des
neuen
Walzwerkgebäudes
weichen
(heutiges
aus
Sandsteinen erbautes denkmalgeschütztes Gebäude am Weg zur Turnhalle).
In
den
Jahren
1854
bis
1856
wurde
auch
das
Mühlengebäude
neu
erbaut.
Es
ist
dies
jenes
Gebäude,
dessen
unterstes
Geschoss
heute
noch
im
Werk
II
zu
sehen
ist.
Der
Bau
dieser
neuen
Mühle
erfolgte
auf
Initiative
der
1852
gebildeten
Mansfelder
Kupferschiefer
bauenden
Gewerkschaft.
Die
neue
Mühle
war
bezüglich
der
Wasserantriebe
wie
auch
der
Mahlgänge
auf
das
Modernste
ausgerüstet
und
damit
eine
der
leistungsfähigsten
Mühlen
in
der
Provinz
Sachsen.
Nicht
zuletzt
trugen
die
vom
Direktor
der
Stollbergschen
Maschinenfabrik
in
Magdeburg,
Eduard
Hänel,
neu
konstruierten
und
dann
eingesetzten
Turbinen
mit
neu
entwickelten
Schaufeln
dazu
bei.
In
dem
aus
vier
Gewölbekammern
bestehenden
Untergeschoss
wurden
acht
Turbinen
aufgestellt. Parallel zum Bau der Mühle wurde ein Getreidespeicher
errichtet,
der
mit
einem
Übergang
zur
Mühle
verbunden
war.
Dieser
Speicher
befand
sich
auf
der
linken
Seite
vor
der
Brücke
über
den
Mühlgraben.
Die
Mühle
wurde
nach
Fertigstellung
an
Müllermeister
Hörning
verpachtet.
Als im Jahr 1886 die letzte Pachtperiode abgelaufen war und in der gesamten Zeit seit 1856 keinerlei
Maßnahmen getroffen worden waren, um die Mühle auf einen leistungsfähigen Stand zu halten, lehnte der
bisherige Pächter eine weitere Pacht ab. Bis zur
Entscheidung, was mit der Mühle geschehen solle
(die Mansfelder Gewerkschaft hatte kein Interesse an
der Mühle), wurde sie mit kurzfristiger
Kündigungszeit und zu niedrigen Pachtgebühren an
den Müller Gustav Eger aus Hettstedt verpachtet.
1888 wurde dann zur weiteren Verwendung des
Mühlengebäudes durch den späteren Werkleiter Otto
Grobecker ein Projekt erarbeitet. Dieses sah vor, die
vorhandenen acht Turbinen zu je 25 PS zu vier
Elektrogeneratoren zum Betreiben einer Elektrolyse
umzurüsten.
Ehemalige vierstöckige Mühle, dann Näpfchenfabrik, mit dem Übergang
zum Getreidepeicher. Im Hintergrund das Schloss (Aufnahme von 1894 )
Es gab dann aber zwei Gründe, welche dieses Projekt scheitern ließen:
1. Die in dem 4-stöckigen Gebäude an Stelle der Holzdecken einzusetzenden
Betondecken wären beim Betrieb einer Elektolyse von den dabei verwendeten
Säuren in absehbarer Zeit zerstört worden.
2. In diesem Zeitraum wurde in Deutschland durch verantwortliche militärische
Stellen die bedenkliche Tatsache festgestellt, dass sich Fabriken zur Herstellung
Von Messingnäpfchen für die Patronenherstellung hauptsächlich an den
Grenzen des Reiches befanden, während im Inneren Deutschlands so gut wie
keine vorhanden waren.
Punkt 2 war schließlich der Grund, dass der Staat dem zuständigen Geheimrat Leuschner den Auftrag erteilte,
im Mansfeldischen Möglichkeiten zur Errichtung einer Näpfchenfabrik zu suchen. Wegen der Dringlichkeit
fiel die Wahl auf die Rothenburger Mühle. Die Dringlichkeit bestand darin, dass am 9. März 1888 Kaiser
Wilhelm I. und am 15. Juni Kaiser Friedrich III. verstarben und sich dadurch die Kriegstreibereien seitens des
französischen Kriegsministers Boulanger und des russischen Reitergenerals Scobeleff erhöhten und eine
permanente Gefahr für Deutschland darstellten.
Mit der Umwandlung der Mühle in eine Näpfchenfabrik wurde Anfang Oktober 1888 Maschineninspektor
Hutwasser betraut. Der Beginn der eigentlichen baulichen und maschinellen Arbeiten war der 15. Oktober
1888. Die jährlich zu produzierende Menge an Näpfchen wurde mit 500 t festgelegt. Die Arbeiten wurden so
forciert, dass die Fabrik nach einem Jahr 1890 voll in Betrieb genommen werden konnte.
Inzwischen war aber die Näpfchenfertigung in der Maschinenwerkstatt Saigerhütte in Hettstedt mit
Unterstützung der Heeresverwaltung, welche von der Erfurter Gewehrfabrik zwei Stanzmaschinen zur
Verfügung gestellt bekam, sofort aufgenommen worden. Das Material hierzu wurde in der Saigerhütte
gegossen, in Rothenburg zu Blechstreifen gewalzt, und dann wurden daraus in der Saigerhütte die
Näpfchen gestanzt. Die Qualität der Näpfchen fiel zur vollsten Zufriedenheit der Militärbehörden aus.
Als bekannt geworden war, dass die Mansfelder Gewerkschaft in Rothenburg eine neue Näpfchenfabrik
errichten wollte, wandte sich der Direktor der Firma Basre & Selve aus Altena in Westfalen, welche zu
damaliger Zeit der größter Lieferant von Näpfchen war, persönlich an den Geheimrat Leuschner und drohte,
ab sofort kein Mansfelder Kupfer mehr zu verarbeiten, sofern die Fabrik in Rothenburg erbaut werden sollte.
Trotz dieser Drohung wurde der Bau in Rothenburg aufgrund der politischen Lage im Staatsinteresse
vorgenommen.
Bemerkenswert ist, welche enormen Leistungen die Näpfchenfabrik während des I. Weltkrieges vollbracht
hat:
1914 = 1952 t mit 573 Beschäftigten
1915 = 5600 t mit 1002 Beschäftigten
1916 = 3191 t mit 681 „
1917 = 4361 t mit 841 „
1918 = 3495 t mit 469 „
Nach Ende des Krieges sank die Produktion wieder auf die projektierte Menge von etwas mehr als 500 t. Es
wurden nur noch Näpfchen für Jagd- und Sportmunition hergestellt.
Die obigen Produktionszahlen zeigen, welche enorme Bedeutung der Bau der Eisenbahnstrecke
Könnern-Rothenburg zu damaliger Zeit hatte. Vor Inbetriebnahme dieser Strecke wurden die Erzeugnisse
mittels Pferdefuhrwerken zum Bahnhof Könnern transportiert.